Unser Leben findet hier statt

 

Der Anfang

           Nach der Hochzeit mit Ali Riza habe ich bei meinen Schwiegereltern in der Türkei gelebt. Das war schön. Unsere Tochter ist zu Hause geboren, eine alte Hebamme hat uns geholfen. Als das Kind zweieinhalb Jahre alt war, fuhr ich mit ihm nach Deutschland zu meinem Mann. Wir – mein Mann, unser Kind und ich und mein Bruder mit seiner Frau – lebten in einer Drei-Zimmer-Wohnung.

           Am Anfang war es schwer einzukaufen, weil ich kein Wort Deutsch verstand. Mein Mann und mein Bruder begleiteten mich und halfen mir einzukaufen.

           Meine beiden Söhne wurden im Ludwigsburger Krankenhaus geboren. Das war gut, mein Mann konnte bei mir sein. Ich wurde im Krankenhaus gut versorgt. Nach der Geburt unseres zweiten Kindes zogen mein Bruder und seine Frau aus. Nun hatte jede Familie eine Wohnung für sich.

           Nach der Geburt des dritten Kindes sagte mein Mann zu unserem griechischen Frauenarzt, dass er unsere Kinder in die Türkei schicken wolle, weil wir zu beengt wohnten und er die Kinder erst wieder zurückholen wolle, wenn er eine größere Wohnung gefunden habe. „Bist du blöd, Aslan?“ sagte der Arzt, „ich gebe dir meine Wohnung und deine Kinder bleiben!“  So kamen wir zu einer größeren Wohnung! Später kauften wir unsere Traumwohnung in

 

 

 

Erzählt von Fintoz Aslan am 6. Januar 2014
aufgeschrieben und bearbeitet von Regina Boger

Titelbild: Venezianische Gruppe auf der Treppe des Schlosses Favorite
Aufnahme: Jasmin Brosch, Frickenhausen

 

der Bahnhofstraße in Asperg, aus der wie nie wieder ausziehen werden. Der Arzt war wie ein Vater zu mir. Ich bin ihm noch heute dankbar.


Arbeit

          Nachdem die Kinder im Kindergarten waren, habe ich halbtags im Hotel Adler in der Küche gearbeitet. Ich habe viel gearbeitet und wenig verdient. Deshalb bin ich zu Mann und Hummel gegangen, wo ich besser verdient habe. Nach siebeneinhalb Jahren wurde ich entlassen, weil die Abteilung geschlossen wurde. Seit 16 Jahren arbeite ich bei Collini in Asperg.

 

Heimat

          Wenn ich fünf Wochen in der Türkei bin, will ich zurück nach Asperg. Unser Leben findet hier statt. Hier lebt meine Familie, hier leben meine Kinder und meine Enkel. Für andere Freundschaften habe ich keine Zeit. Mit meinen Kolleginnen bei Collini verstehe ich mich gut, aber ich habe keine Zeit, mich mit ihnen außerhalb des Betriebs zu treffen. Wenn ich nicht im Betrieb arbeite oder den Haushalt mache, hüte ich meine Enkel. Freizeit habe ich nicht.

           Wenn ich einmal in Rente bin, lebe ich von Mai bis Oktober in der Türkei, den Rest des Jahres hier. Ich will einmal in der Türkei begraben werden, mein Mann dagegen hier. Er fragt sich: „Wer kommt zu meinem Grab in der Türkei?“

           Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Meine Kinder und Enkel sind gut. Ich habe einen netten Mann – aber mein Mann hat auch eine nette Frau!