Bild: Catherine Draffin 2020

Sommer

 

Sonntag, 1. Juli 2018

Zeit: 11.30 Uhr. Ort: Gärten hinter der katholischen Kirche
und der Marktapotheke. Wetter: sonnig, 26 Grad

 

           Der Marktplatz liegt in sonntäglicher Ruhe. Viele der Tische der Café- und Restaurantterrassen sind besetzt. Vor der Stadtkirche steht ein Stand der Obst- und Gartenbauvereine Ludwigsburgs, die zum Tag der offenen Gartentür einladen.

          Ein Auto fährt quer über den Marktplatz und hält direkt vor der Marktapotheke. Die Beifahrerin steigt aus und eilt zielstrebig zur Apotheke.

          Zwischen dem Eiscafé Baci, auf dessen Terrasse sich die italienischen Rentner niedergelassen haben, und dem Restaurant Wok on Fire steht die Türe zum Haus der Katholischen Kirche offen. Hinter dem Gebäude trete ich in einen Garten, den ich dort nicht vermutet hätte. Einer der berühmten Hinterhofgärten Ludwigsburgs, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind. Geradeaus eine Terrasse auf einem Holzpodest, daneben eine Sitzgruppe aus verwittertem Holz. Links vom Eingang führt ein Weg in den Garten. Nach wenigen Schritten erleichtern ein paar Stufen den Besuch eines erhöht liegenden lauschigen Plätzchens. Neben einem Apfelbaum eine runde Eisenlaube, mit Efeu bewachsen, nach allen Seiten offen, darin ein Tisch mit Stühlen, die zum Verweilen einladen. Ich nehme die Einladung an und setze mich. An zwei Seiten ist der Platz durch Ligusterhecken geschützt. Ein lindes Lüftchen mit einem Hauch Blütenduft streichelt mein Gesicht. Zwei Kohlweißlinge tanzen um Hortensien, Rosen und Königskerzen. Ich schließe die Augen, atme ein, atme aus.

          Gartengespräche hinter einer Hecke: Wir sind die Einzigen, die die Pflanzen zwischen den Steinen der Garagenzufahrt nicht entfernen. Alle anderen Zufahrten sind clean, kein Hälmchen zu sehen. Ich genieße es, im Liegestuhl zu liegen und den Schmetterlingen zuzusehen. Sogar einen Schwalbenschwanz habe ich gesehen, die sind ja ganz selten, sagt eine Frauenstimme. Das liegt daran, dass Schwalbenschwänze die Wilde Möhre brauchen, um sich fortzupflanzen, wirft eine andere Frauenstimme ein, und wo gibt es heute noch die Wilde Möhre? Das Gespräch wendet sich den Schnecken zu. Asche um die Hortensien streuen und die Pflanzen gut düngen. Das mögen die Schnecken nicht, tönt es männlich herüber. Zustimmendes Gemurmel. Wo kriege ich bloß Asche her, wenn ich in einem Haus mit Ölheizung wohne, frage ich mich.

          Auch andere Besucher haben die Laube entdeckt. Ich mache meinen Platz unter der Laube frei und biege wieder auf den Gartenweg ein. Links ein Feigenbaum, rechts vom Weg summen Bienen und Hummeln in üppigen Lavendelbüschen. Eine leichte Brise verbreitet intensiven Lavendelduft. An der Seite des Wegs lädt ein rechteckiges Rasenstück mit Stuhl zum Ruhen ein. Aus weiter Ferne ab und zu Motorengeräusche. Immer wieder ein kurzes Brummen, wenn Hummeln auf dem Weg zum Lavendel vorbeisausen.

          Der Giersch macht auch vor dem Meditationsgarten des Hauses der Katholischen Kirche nicht halt. Er setzt sich gegen das Immergrün durch. Was machen Sie gegen den Giersch? frage ich den Gärtner. Kommen Sie! Er zeigt auf eine schwarze Folie zwischen dem Meditationsgarten und dem Garten der Marktapotheke. Ohne Licht kann die Pflanze nicht wachsen, erklärt er. Und was machen Sie mit dem Giersch unter den Rosenstöcken? Eine schwarze Folie würde ja auch die Rosenwurzeln schädigen.Da spritze ich halt.Womit? – Mit Antigiersch murmelt er und wendet sich anderen Besuchern zu.

          Darf man die Schwelle aus schwarzen Folien zum Garten der Marktapotheke überschreiten? Ich zögere. Selbstverständlich, heute schon, ermutigt der Gärtner alle, die unschlüssig vor dem Nachbargarten stehen bleiben. Wir wagen den Schritt über die Grenze. Ein Garten auf verschiedenen Ebenen, auf drei Seiten von Mauern begrenzt. Feigenbäume, eine Galerie mit weißen Hortensien, daneben Dost, der von Bienen umschwärmt wird. Wege zwischen den Rasenflächen. Am Ende eines sehr schmalen geraden Weges sind neun runde Vertiefungen erkennbar – die Spuren einer Kegelbahn, erklärt Frau Klünder, die Gartenbesitzerin. Auch in diesem Garten stehen Stühle. Schön, in der Sonne zu sitzen, den zarten Blumenduft einzuatmen, im Hintergrund Musik aus Bienensummen und Menschengemurmel.

          Eine alte Dame, die mühsam einen Fuß vor den anderen setzt, kommt auf mich zu. Ich biete ihr meinen Platz an und gehe zurück in den Meditationsgarten. Beim Hinausgehen erfahre ich noch, dass der Garten Besuchern donnerstags ab
11 Uhr eine Stunde zur Verfügung steht. Eine schöne Aussicht auf eine Mußestunde.

          13.00 Uhr. Glockengeläut erfüllt den Marktplatz. Die Plätze der italienischen Rentner auf der Terrasse des Café Baci sind verwaist. Natürlich, Mittagessen bei Mamma .

          Vor der Katholischen Kirche versammelt sich eine Familie. Die Mutter hält einen Säugling in einem weißen Kleid in den Armen. Taufgottesdienst um 13.30 Uhr lese ich auf dem Programmzettel des Infokastens.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Catherine Draffin  2020