Rosemarie König 1930 2017           

Kraft und Farbe in schwierigen Zeiten


1930 – 1954. Kindheit und Jugend

          Meine Mutter, Rosemarie König, wurde 1930 in Heilbronn geboren. Sie hatte einen 20 Jahre älteren Bruder und eine 10 Jahre ältere Schwester. Ihre Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend waren vom Krieg geprägt. Als Jugendliche erlebte sie die Bombardierung ihrer Heimatstadt. Durch die Umsicht ihres Vaters verließ sie mit ihren Eltern den Bunker und lief durch den Feuersturm zum Neckar. Alle Freunde, die im Bunker geblieben waren, sind durch Sauerstoffmangel erstickt. In guter Absicht schickten ihre Eltern sie unmittelbar danach zu Verwandten im umliegenden Land, damit sie dort vor weiteren Angriffen geschützt wäre. Heute weiss man, wie wichtig der Kontakt zur Familie nach solchen Erlebnissen ist. Meine Mutter verlor für zwei Wochen ihre Sprache, was auf das Ausmaß der Traumatisierung hinweist.

           Ihre künsterische Begabung zeigte sich früh, auch welche Ressource dies für sie in schweren Zeiten darstellte. So bemalte sie
mitten im Krieg Untersetzer aus Holz mit Blumen und schenkte diese zur Aufmunterung ihrer Schwägerin, die mit ihr viel Zeit im Bunker verbrachte.    

          Ich habe nach dem Tod meiner Mutter ein erstes Bild von 1948 gefunden, das ihre Begeisterung für die Porzellanmalerei zeigt.

Mein Großvater unterstützte meine Mutter in dem Wunsch, einen Beruf zu lernen, bestand aber auf einem Beruf, der sie ernähren könnte. So begann sie eine Banklehre. Als hübsche junge Frau fand sie trotz des ungewünschten Berufsbildes Spaß am Kontakt mit Kollegen.



 

 

 

 

1954 lernte sie dann meinen Vater kennen. Er stammt aus Stuttgart und sie einigten sich auf eine Wohnung in der Mitte, also in Ludwigsburg.

 

1954 – 1979. Ein zurückgezogenes Leben als Ehefrau und Mutter

          Meine Mutter begann, sich in ihrem neuen Leben einzurichten. Sie lernte kochen und führte den Haushalt. Ihre Kreativität zeigte sich bei der Einrichtung der Wohnung. Während dieser Zeit malte sie nur wenig und blieb bei den Blumenbildern.

 

          Vielleicht floss ihre Kreativität zu der Zeit in die Mutterschaft, 1961 kam ich zur Welt. Die Jahre danach führte sie ein konservatives Frauenleben an der Seite ihres beruflich erfolgreichen Ehemannes, der als Richter am Oberlandesgericht in Stuttgart tätig war.

          Die Liebe zur Kunst und zur Malerei konnte sie mit meinem Vater nicht teilen. Er war an schweren, philosophischen und intellektuellen Fragen und weniger am Schönen und Bunten interessiert. Raum für Neugier, Reisen oder Genuss war kaum vorhanden. Im Gegensatz zu ihrer inneren Kraft und Kreativität hatte er keine solchen inneren Kraftquellen zur Verfügung, was schließlich auch zu seinem frühen Tod 1979 führte.

           Nach diesem Verlust, der sie sehr belastete, hatte sie dennoch die Kraft, mich 1980 zum Studium nach Berlin gehen zu lassen.



1979 – 1988. Die Malweiber – ein neues Leben ...

           Solche Schicksalsschläge können sich zerstörerisch auswirken oder aber ganz neue Entwicklungen in Gang setzen. Auf jeden Fall zeigt sich, aus welchen Quellen der Mensch Kraft schöpfen kann.

           Für meine Mutter begann ein völlig neues Leben. Sie lebte als Frau alleine in einem Einfamilienhaus, begann sich in der Sprachförderung ausländischer Schüler sozial zu engagieren, nahm Fahrstunden, kaufte ein eigenes Auto und unternahm Reisen in ferne Länder. So war sie mehrfach in Israel, in Kenia und Schottland. Und sie fand wieder zu ihrer inneren Kraftquelle, der Malerei. An den Bildern wird deutlich, dass ihre Kunst in Form und Farbe immer expressiver wurde.

Den Blumen blieb sie in allen Phasen treu, doch ihre Sichtweise auf die Pflanzen veränderte sich.

          Sie erlebte Ludwigsburg als eine Stadt, die sich parallel zu ihrer eigenen Entwicklung für die Kunst und die Jugend weiter öffnete. Sie nahm Kurse in der Kunstschule dem „Labyrinth“ , einer Kunstschule für junge Erwachsene, wie sie mir stolz sagte. Sie fühlte sich inspiriert und bereichert – wie in einer zweiten Jugend ohne Krieg und Angst.

          Sie begann sich für die Darstellung des menschlichen Körpers zu interessieren, belegte Kurse im Aktzeichnen und experimentierte in verschiedenen Techniken.

          Dass die Stadt Ludwigsburg Teile der Karlskaserne für die Kunst und die Künstler zur Verfügung stellte, bestätigte sie in ihrer Liebe zu dieser Stadt. Mit anderen Künstlern aus dem Labyrinth konnte sie in einer Ausstellung ihre Bilder zeigen.

          Ein Buch, das sie sehr gefesselt hat, trug den Titel „die Malweiber“, die unerschrockenen Künstlerinnen um 1900. Die Beschäftigung mit dem Malen als Ausdrucksform der Emanzipation hat sie begeistert. Ihre Lebendigkeit wirkte anziehend.

 

... und eine neue Liebe (1988 2005)

           In einem ihrer Kurse hat sie dann 1988 die Liebe ihres Lebens kennen gelernt. Einen Mann, der sich wie sie für die Freude und Farbe im Leben interessierte. Mit ihm konnte sie das Leben genießen. Sie unternahmen gemeinsame Reisen, auf denen sie beide mit Staffelei und Farbe unterwegs waren. Die Lebensfreude war bei jedem Kontakt mit dem damals nicht nicht mehr ganz so jungen, aber innerlich doch sehr jungen Paar spürbar.

           Erich Krogner zog zu ihr ins Haus und es begannen die glücklichsten 17 Jahre ihres Lebens. Es wird manchmal gesagt, dass Glück die Kreativität lähme. Bei meiner Mutter war dies nicht der Fall. Sie erweiterte ihre künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten durch das gemeinsame Erleben mit Erich. Es entstanden bunte, ausdrucksstarke Bilder.

          Aber auch die darunter liegenden schweren Erfahrungen tauchen in ihren Bilder immer wieder auf. Sei es durch kalt erscheinende Landschaften oder dominierende düstere Farben in doch fröhlich anmutenden Tanzbildern.



2005 – 2017. Und wieder: Kunst als Kraftquelle      

 

          Nach Erichs Tod 2005 verlor das Leben zunächst einen Teil der Farbe. Die Ausdrucksmöglichkeiten in der Malerei wurden ihr durch die körperlichen Einschränkungen genommen. So wurde ihr die Staffelei zu schwer, die Kraft ließ nach. Aber ihr wacher Geist, ihr Interesse und ihr Wille sind geblieben.

          Immer wieder hat die Kunst neue Freundschaften gestiftet, die das Licht und die Farbe ins Leben zurückbrachten. Beispielhaft möchte ich hier Sophia und Dieter nenne, ihre neuen Nachbarn, mit denen sie rasch eine Freundschaft verband. Sie beschäftigte sich weiter mit den menschlichen Körpern und deren Ausdrucksmöglichkeiten und ging regelmäßig mit Sophia in die Ballettaufführungen im Forum Ludwigsburg. Ihre Begeisterung für die lebendige und kreative Stadt Ludwigsburg nahm weiter zu. Als visueller Mensch war sie jede Woche im Kino Cagliari zu finden, freundete sich mit einer lebhaften Berlinerin an und war über alles Neue in der Filmszene bestens informiert. Die Kontakte zu dem sie behandelnden Physiotherapeuten erlebte sie ebenfalls als eine Bereicherung und war mit ihm im regen Austausch über Fussball, das Leben und die Kunst.

           Selbstständig im eigenen Haus lebend ist meine Mutter im 86. Lebensjahr gestorben.

           Ihre langjährigen Freunde, Sonja Wahl und Werner Fleig, ermöglichten von Dezember 2018 bis Januar 2019 eine Ausstellung ihrer Bilder im Pflugfelder Torhaus. Ich freue mich sehr, dass die Ausstellung ein so großer Erfolg war.

           Im Herbst 2019 wird nochmals eine Ausstellung ihrer Bilder in den Räumen der Physiotherapiepraxis „Concept“ , Schwieberdinger Straße 44 in 71636 Ludwigsburg zu sehen sein.



Die überarbeitete Rede von Martina König
bei der Vernissage am 2.Dezember 2018 im Pflugfelder Torhaus.

 

Lektorat: Regina Boger