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Wir konnten viele unserer Träume verwirklichen 

Heidi Hunke und Rudolf Hunke, Optikermeister, Uhrmachermeister, Juwelier

 



Uhren, Optik und Goldwaren am Marktplatz von Braunau

           Geburtstage sind ein guter Anlass, auf sein Leben zurückzublicken. Was war alles in den
81 Jahren meines Lebens? Welche Ereignisse haben mich geprägt? Ich konnte viele meiner Träume verwirklichen, vieles ist mir gelungen. Dafür bin ich dankbar und glücklich.

           Als ich am 8. August 1936, also im Sternzeichen des Löwen, in Braunau im Sudentenland geboren wurde, war die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Ich wurde in eine Familie hinein geboren, die in zweiter Generation ein „Uhren-, Optik- und Goldwaren-Geschäft“ führte. Mein Großvater hatte 1907 das Geschäft am Marktplatz von Braunau gegründet. Mein Vater und sein jüngerer Bruder erhielten eine gründliche Ausbildung zum Uhrmacher und Augenoptiker. Sie traten in seine Fußstapfen und führten als Uhrmacher- und Augenoptikermeister das Geschäft nicht nur weiter, sondern bauten es zu einem gut gehenden Unternehmen aus.

 

Der Zweite Weltkrieg

           Das Jahr 1939 brachte unserer Familie Glück und Unglück. Ein Glück war, dass mein jüngerer Bruder geboren wurde. Das eine Unglück war, dass mein Großvater starb, das andere, dass der Zweite Weltkrieg begann. Mein Vater wurde gleich zu Beginn des Krieges eingezogen. Im Russlandfeldzug wurde er im Juni 1941 als Chef-Funker einer Panzerdivision eingesetzt.

           Ein Glück wiederum war, dass meine Mutter eine ausgebildete Augenoptikerin war. Sie bekam eine Sondergenehmigung, das Geschäft weiterzuführen. Außerdem war sie berechtigt, Brillen an die Wehrmacht zu liefern. Wirtschaftliche Not litten wir nicht, aber der Vater fehlte, zumal meine Kindheit durch den Krieg geprägt war. Meine fürsorglichen Tanten hielten die Erinnerung an meinen Vater aufrecht. Sie erzählten, er sei im Krieg und kämpfe für den Sieg des deutschen Vaterlandes. Mein Vater hatte eine realistischere Einschätzung der Lage. Während eines Fronturlaubs vertraute er meiner Mutter an, dieser Krieg sei nicht zu gewinnen. Für den Fall, dass sie sich aus den Augen verlören, gab er meiner Mutter drei Adressen, an die sie sich wenden konnte, um ihn notfalls wieder zu finden: die der Firma Rodenstock, der Firma Zeiss und die Adresse eines Schulfreundes in Österreich.

 

Kriegsende und Vertreibung

           Als der Krieg zu Ende ging, war ich noch nicht ganz neun Jahre alt. An die schrecklichen Bilder des Geschützfeuers der russischen Armee, die unsere Stadt nachts erhellten, kann ich mich noch gut erinnern. Hunderte verwundeter Soldaten lagen auf den Straßen, einige hatten wir in unser Haus aufgenommen. Wir Kinder halfen, wo wir konnten.

           Dann war der Krieg zu Ende und es begann der harte Weg einer Mutter mit vier Kindern. Die russische Armee besetzte Braunau. Drei Tage und drei Nächte marschierten russische Soldaten mit Pferden, Geschützen und Lastwagen durch unsere Straßen.

           Tage später herrschte große Aufregung in unserem Haus. Mein Großvater, der Vater meiner Mutter, und alle Tanten packten Koffer und Pakete. „Ihr müsste jetzt tapfer sein“, sagten uns die Erwachsenen, „denn wir müssen die Stadt verlassen.“ So begann die Vertreibung der Deutschen aus dem Sudetenland. Was wir dann erlebten, hätten wir uns lieber erspart.

           Tschechische Soldaten trieben uns – zusammen mit einer großen Menschenmenge – zum Bahnhof. Dort wurden wir in einen offenen Viehwaggon verfrachtet, der von einer Dampflokomotive gezogen wurde. So wurden wir durch die Nacht transportiert, bis wir in Sachsen, verrußt und verdreckt, ausgeladen wurden. Auf einem Bauernhof in der Nähe von Dresden fanden wir ein kleines Gartenhäuschen, das wir benutzen durften. Da meine Tante und mein Onkel bei uns waren, konnte meine Mutter ihre vier Kinder in deren Obhut lassen und nach Jena zur Firma Zeiss fahren. Das war eine der Adressen, die mein Vater meiner Mutter gegeben hatte, um nach dem Kriegsende wieder zueinander finden zu können. Und wieder hatten wir Glück. Da wir geschäftlichen Kontakt zu Zeiss gehabt hatten, bekam meine Mutter sofort eine Anstellung.

 

Eine großartige Familienzusammenführung

          Wir packten also wieder unsere Sachen, um nach Jena zu fahren. Unser Weg führte durch das total zerbombte Dresden. Am Bahnhof herrschte ein großes Gedränge. Meine Mutter – mit meinem kleinen Bruder auf dem Arm - und meine ältere Schwester stiegen in den Waggon. Mein älterer Bruder und ich wurden von der schiebenden Menschenmasse abgedrängt. Weinend standen wir auf dem Bahnsteig, der Zug sollte jeden Moment abfahren. Da kam ein Riese von einem Mann in einem langen Mantel auf uns zu, der genau wusste, was los war. An sein faltiges Gesicht kann ich mich noch heute erinnern. Er packte uns wie kleine Katzen an den Mantelkrägen und schob uns samt dem Gepäck über die Köpfe der Menschen durch das Fenster in das Zugabteil. Das war die großartigste Tat, die unsere Familie zusammenführte.

 

Ein kurzer Aufenthalt in Jena

           In Jena wurden wir in einem Barackenlager untergebracht. Meine Tante und mein Onkel kümmerten sich um uns Kinder, meine Mutter konnte bei Zeiss arbeiten und wir älteren Kinder besuchten die Schule. Wir hatten ein beinahe normales Familienleben – außer dass die Lebensmittel rationiert waren und jeder sein Brot mit Strichen einteilen musste und dass wir nicht wussten, wo unser Vater war.

           Doch eines Tages bekamen wir die Nachricht aus dem Westen, dass er lebte. Er schlug sich aus der amerikanischen Zone bis zur russischen Zone durch, um zu seiner Familie zu kommen. Nachts trat er heimlich über die Grenze zur russischen Besatzungszone. Da mein Vater Augenoptiker war, bekam er bei Zeiss sofort eine Stelle in einer Spezialabteilung. Er war glücklich, dass er seine Familie gefunden und sofort eine Stelle bekommen hatte.

           Als mein Vater im Begriff war, die Fabrik zu verlassen, traf er im Flur einen alten Freund. Der gab ihm einen guten Rat: „Bitte hau ab und geh so schnell wie möglich zurück in die amerikanische Zone!“ In der nächsten Nacht überquerte er wieder die Grenze der russischen Besatzungszone, diesmal in Richtung Westen. Zum Glück, muss man sagen. Denn diese Spezialabteilung, in der mein Vater hätte arbeiten sollen, wurde zehn Tage später demontiert und nach Russland gebracht. Wir hätten unseren Vater vermutlich nie wieder gesehen. Während der amerikanischen Kriegsgefangenschaft hatte er sich mit einem Goldschmied aus Welzheim angefreundet. Zu ihm kehrte er nun zurück.

1907 gründete mein Großvater am Marktplatz in Braunau dieses Geschäft.

Meine Großeltern Adelheid und Adolf Hunke mit ihrem jüngeren Sohn Alfred und dem älteren Sohn – meinem
Vater – Rudolf Hunke (rechts)

 

Familie Hunke. Der Fronturlaub meines Vaters kurz vor
Kriegsende. Er legte seine Hand auf meine Schulter.

 



1946. Welzheim

 

1949. Ellwangen

 

1957. Das Gesellenstück

 

Die Turnerriege Ellwangen.
Der Zweite von links bin ich.

 

Im Blühenden Barock

 

Welzheim, die neue Heimat

           Mein Vater beantragte eine Zuzugsgenehmigung für seine Familie und so konnten wir aus der Sowjetzone in die amerikanische Zone nach Welzheim ziehen. Welzheim wurde unsere neue Heimat und wir Kinder besuchten wieder die Schule.

            Schon 1946 eröffnete mein Vater in der Hauptstraße Welzheims ein Geschäft für Uhren, Schmuck und Augenoptik. Zur Eröffnung gab es Handtaschen in allen Farben. Es ging wieder aufwärts. 1949, drei Jahre später, eröffnete mein Vater eine Filiale in Ellwangen und überließ das Geschäft in Welzheim seinem Bruder, der nach dem Krieg wieder zu uns gefunden hatte. Das hieß für die Familie: Umzug nach Ellwangen.

 

Handwerk hat goldenen Boden: Die Lehrjahre

           Vom Studieren hielt mein Vater in der damaligen Zeit nicht viel. Er folgte dem Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden.“ Gesagt, getan – nicht gefragt – steckte er mich der Tradition entsprechend mit
14 Jahren in den elterlichen Betrieb. Es war meine schönste Zeit. Neben meiner Schwester, die das Goldschmiedehandwerk erlernte, meinem älteren Bruder, der als Optiker in der Ausbildung stand, wurde ich nun als Dritter im Bunde zum Feinmechaniker und Uhrmacher ausgebildet. Somit war der Familienbetrieb komplett.

           Über den Entschluss meines Vaters war ich nicht unglücklich, denn ich entdeckte die Liebe zu und die Freude an diesen Berufen. Ich saß viel bei meiner Schwester in ihrer Werkstatt, wenn sie kunstvoll aus Goldblech, Drähten, Kugeln, Perlen und Edelsteinen Schmuckstücke zauberte. Das Goldschmieden wurde für mich zu einem richtigen Hobby. Aus Freude am Entwerfen von Ringen, Broschen und Anhängern beschäftigte ich mich mit der Formgestaltung und besuchte Seminare und Ausstelllungen. Am Ende meiner dreijährigen Lehre und dem Besuch der Fachschule für Feinmechanik und Zeitmesstechnik in Stuttgart legte ich meine Gesellenprüfung ab. Anschließend volontierte ich in einem großen Betrieb in Österreich, vertiefte meine Erfahrungen in der Uhrmacherkunst und besuchte Abendkurse in Physik und Mathematik.

 

Die Liebe zur Gestaltung und ein patentiertes Gesellenstück

           Dann ging es zurück in den elterlichen Betrieb nach Ellwangen und ich begann meine Lehre als Augenoptiker. Ich war froh und glücklich, wieder zu Hause zu sein. Hier konnte ich meiner Leidenschaft, dem Goldschmieden, nachgehen. Außerdem entdeckte ich im Umgang mit Kunden meine Fähigkeiten als Verkaufsstratege und Kundenberater.

           1957 legte ich nach der dreijährigen Ausbildung in der Fachschule für Augenoptik in Stuttgart die Gesellenprüfung ab. Mein Gesellenstück, ein Brillenmodell, das man durch Hinzufügen von kleinen Schmuckstücken drei Mal verändern konnte, erfüllte alle Kriterien eines Patents: Es war neu, beruhte auf einer erfinderischen Tätigkeit und war gewerblich anwendbar. Deshalb wurde ihm vom Patentamt München das Patent erteilt. Bedauerlicherweise wurde es nie produziert.

           Meine Liebe zur Gestaltung konnte ich verwirklichen, als mein Vater das Geschäft in eine bessere Lage in Ellwangen verlegte. Wir nutzten die Gelegenheit und richteten das Geschäft supermodern ein. Meine gestalterischen Fähigkeiten und Neigungen schlugen sich auch in der Schaufenstergestaltung nieder. Bei Wettbewerben errang ich dreimal den ersten Preis. Die Meisterschule für Uhrmacherei in Ulm schloss ich nach zwei Jahren mit der Meisterprüfung ab. 1960 zog es mich auf die Höhere Fachschule für Augenoptik nach Freiburg.

 

Beim Turnen die große Liebe getroffen

           Bis jetzt klingt meine Geschichte, als hätte ich nur gearbeitet. Dem ist nicht so. Meine Freizeit verbrachte ich als Geräteturner und zwar in der Gauriege in Ellwangen. Eines Tages fand in Neuler, einem Ort in der Nähe von Ellwangen, ein Turnwettkampf statt. Meine Riege gewann und wir bekamen einen Preis. Als wir auf der Bühne standen, geschah etwas Großartiges. Während der Siegerehrung öffnete sich die Tür und ein bildhübsches Mädchen trat ein. Bei der ersten Gelegenheit forderte ich sie zum Tanz auf und verliebte mich in sie. Ihre fröhliche und sympathische Ausstrahlung ließ mich nicht los, bis heute nicht – meine Heidi!

 

Mit der richtigen Frau eine Familie gegründet

           Nach einigen Monaten verlobten wir uns. Mir war klar, dass Heidi genau die Frau war, mit der ich eine Familie gründen wollte. Heidi interessierte sich für Uhren, Schmuck und Brillen und natürlich für Gestaltung. Sie entdeckte die Freude an diesem Beruf und volontierte zwei Jahre in einem namhaften Juweliergeschäft. Wir besuchten gemeinsam Lehrgänge in der Juwelierbranche: Edelsteine, Schmuckdesign, Uhren, Dekoration und vieles mehr. Das Interesse an diesen Themen verband uns sehr und verbindet uns noch heute. Von Anfang an verbrachten wir viel Zeit miteinander und entwickelten gemeinsam Ideen. 1963 schlossen wir den Bund fürs Leben.




Umzug nach Ludwigsburg

          Nach der Hochzeitsreise verließen wir Ellwangen und zogen nach Ludwigsburg. Mein Bruder hatte bis dahin in der Kirchstraße unsere dritte Filiale geleitet. Doch mein Vater war der Meinung, der richtige Platz für seinen ältesten Sohn sei in Ellwangen und der des jüngeren in Ludwigsburg. Was will man da machen? Ich erfüllte gern den Wunsch meines Vaters, denn Ludwigsburg begeisterte mich sofort. Wir renovierten das Geschäft und richteten es nach unserem Geschmack ein. 1965 machte ich die Meisterprüfung zum Augenoptiker an der Höheren Fachschule in Freiburg und hatte nun zwei Meisterprüfungen mit Bestnoten.

 

Familienleben und Geschäftsleben

          Im selben Jahr – am 30. November 1965 – brachte Heidi unser erstes Kind, Thomas, zur Welt. Nun war ich nicht nur ein stolzer Meister, sondern auch ein stolzer Vater. Drei Jahre später, am 8. Januar 1969, kam unsere Tochter Christina auf die Welt und ich wurde zu einem noch stolzeren Vater. Wir hatten nun zwei Dinge unter einen Hut zu bringen, die wir liebten: unsere Kinder und unser Geschäft. Für uns war das Familienleben eine willkommene Abwechslung zu unserem Geschäftsleben. Wir hatten im Laden einen Teppich mit einem großen Stoffbären liegen. Die Kinder kamen nach dem Kindergarten in den Laden und spielten mit dem Bären, bis das Mittagessen fertig war. Als sie größer wurden, spielten wir zusammen mit der Eisenbahn, fuhren Ski und Wasserski und machten zusammen Musik.

 

Die ersten Erweiterungen des Geschäfts

           Neben dem beglückenden Familienleben musste das Geschäft weitergehen. Stück für Stück bauten wir das Unternehmen aus. Wir erweiterten unsere Verkaufsflächen in der Kirchstraße 19. Dann kam die große Chance: Mit viel Glück konnte ich das Haus Kirchstraße 19, in der sich unser Geschäft befand, erwerben. Neben uns, im Haus Nr. 17, befand sich eine Gastronomie, deren Mietvertrag auslief. Ich ergriff die Chance und nach langen Verhandlungen mit dem Hausbesitzer konnte ich das Haus als Teileigentum erwerben. Dadurch konnten wir unser Geschäft um das Dreifache erweitern. Wir hatten nun acht Schaufenster.  Das vergrößerte und verschönerte Geschäft eröffneten wir am 4. August 1973.

           Die Kirchstraße war bis dahin nur eine kleine Nebenstraße in der Stadtmitte. Als 1974 das Marstallcenter eröffnete, wurde sie zur Fußgängerzone und somit zur Haupteinkaufsstraße. Das war natürlich ein Gewinn für unser Geschäft und es ging bergauf.

1963. Der erste Ludwigsburger Geschäft

1973. Umbau und Erweiterung

 


Anerkennung, Preise und Auszeichnungen

          Die vielen Ideen, die Heidi und ich gemeinsam entwickelten, brachten uns Erfolg. Mit Schmuckdesignern und Künstlern beteiligten wir uns an internationalen Schmuck-Wettbewerben und erhielten vom Juwelen Institut sechs internationale Preise: 

zwischen 1969 und 1973 drei Mal die „Goldene Lupe“ 
1975 wurde „Madame Blanche“ das „Juwel des Jahres“
1976 bekamen wir zwei Mal die „Goldene Muschel“

Der Höhepunkt der Auszeichnungen war das „Juwel des Jahres“ für unseren Halsschmuck „Frau Holle“. Auf dem hellblauen Chalzedon waren 34 Brillanten befestigt, die wie Federn aus dem Kissen fielen. Wir freuten uns besonders, dass die Urkunde durch die Kessler-Zwillinge überreicht wurde. Durch die Preise und Veröffentlichungen wurden wir überregional bekannt und erwarben uns den Ruf eines erstklassigen Juweliergeschäfts. Meine aktive Verbandstätigkeit führte dazu, dass mich die Innung für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik 1974 zum Obermeister wählte und in den Prüfungsausschuss der IHK Ludwigsburg wählte.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1983. Trauringe, Silberwaren, Taufgeschenke

1991. Das Uhrengeschäft

2006. Oberbürgermeister Spec überreicht
Rudolf Hunke die „Kammerer-Tafel“

 

 

 

 

 

 

2017. Die Eröffnung unseres neuen Geschäftshauses

 

 

Die Familientradition wird fortgesetzt

          Meine Frau und ich hatten einen Grundsatz, an den wir uns immer hielten – wir redeten vor den Kindern nie über Probleme des Geschäfts, sondern nur über die schönen Seiten. Wir wollten ihnen unsere Freude an unserer Arbeit vorleben und nicht durch Probleme, die ein Geschäft auch mit sich bringt, trüben. Auch durften sie schon früh in den Werkstätten mit den Geräten arbeiten. So hielten wir die Freude am selbst Tun wach und förderten ihre feinmotorische Geschicklichkeit und Experimentierfreude. Allerdings drängten wir sie nie, weder als Kinder noch als Erwachsene, in unsere Fußstapfen zu treten und das Geschäft zu übernehmen. Wir wollten ihnen die Freiheit lassen, ihren persönlichen Interessen und Neigungen zu folgen und sich für ihre Wege zu entscheiden. Umso größer war unsere Freude, als wir ihr anhaltendes Interesse und ihre Neigungen zu unseren Berufen registrierten.

          Thomas schlug den Weg des Augenoptikers ein, krönte seine Ausbildung mit dem Meisterbrief des Augenoptikermeisters und erweiterte und vertiefte seine Kenntnisse in der Fortbildung zum Optometristen. Große Erfahrungen sammelte er in einem exklusiven Optik-Geschäft in Frankfurt.

          Christina machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Ihr besonderes Interesse galt Edelsteinen, Uhrentechnik, Dekoration und Kundenberatung. Anschließend absolvierte sie erfolgreich die Ausbildung zur Diamantengutachterin. Nach ihrer Prüfung und Weiterbildung in Lausanne sammelte sie Erfahrungen bei Juwelieren in Basel, Zürich und Münster.

          Beide lebten und arbeiteten in der Fremde. Wir stellten uns immer wieder die bange Frage: Kommen sie wieder zurück nach Ludwigsburg?

 

Das Geschäft des Hoflieferanten Kiesel und ein Uhrengeschäft

          Eines Tages rief unsere Nachbarin, Frau Kiesel, an. Sie führte das älteste Juweliergeschäft Ludwigsburgs, das des ehemaligen Hoflieferanten Wilhelm Kiesel in der Kirchstraße 15. Sie war nunmehr 80 Jahre alt, wollte das Geschäft aufgeben und suchte einen würdigen Nachfolger. Sie machte mir ein Angebot, das ich nur als Glücksfall bezeichnen kann. Ihre Bedingung für den Kauf des Hauses und die Übernahme des Geschäfts erfüllten wir gern: Wir sollten die Ladenfassade, die Möbel und die Erinnerung an Wilhelm Kiesel erhalten.

1983 eröffneten wir unser Spezialgeschäft für Trauringe, hochwertige Silberwaren und Taufgeschenke.

          Zur gleichen Zeit konnte ich das Haus Nr. 21 neben unserem Stammgeschäft kaufen. Da es in keinem guten Zustand war, musste es abgerissen werden. 1984 begannen wir mit der Planung und zwei Jahre später, im August 1986, pünktlich zu meinem 50. Geburtstag, konnten wir das neue Haus mit seiner Ladenpassage zum Restaurant hin eröffnen. Es sei ein architektonisches Schmuckstück, schrieb die Ludwigsburger Kreiszeitung.

          Neben unserem Optik-Geschäft in Nr. 19 war eine Metzgerei, deren Mietvertrag 1990 endete. Wir übernahmen die Räume und bauten sie um.

          Schon 1991 konnten wir unser Uhrengeschäft eröffnen. Nun hatten wir in der Kirchstraße eine breite Schaufensterfront mit den Abteilungen Schmuck, Optik, Uhren und dem Silberwarengeschäft.

 

Geistesblitze und zündende Ideen: Jakob Friedrich Kammerer

           Mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass das Grundstück der Kirchstraße 21 eine gewichtige Vergangenheit hatte. Von hier aus ging eine Erfindung um die Welt: Jakob Friedrich Kammerer hat hier im Hinterhaus 1832 das Reibzündholz entwickelt.

           Mich beeindruckten der Erfindungsreichtum und die Geschäftstüchtigkeit dieses Mannes. 2006  - an seinem 210 . Geburtstag – setzte ich ihm für seine Erfindung im Haus Nummer 21 mit einer Ausstellung im Restaurant „Il Boccone“ ein Denkmal.

           Auch die Stadt Ludwigsburg würdigte den Erfinder Jakob Friedrich Kammerer und mein Engagement für sein Andenken. Der Oberbürgermeister, Herr Spec, überreichte mir im Namen der Stadt die „Kammerer-Tafel“, die an der Hauswand auf den bedeutenden Bürger der Stadt aufmerksam macht.

 

 

Ein bedeutsames Familientreffen – der Generationenwechsel wird eingeleitet

          1998 hatten wir unsere Kinder zu einem Familientreffen eingeladen. Thomas kam aus Frankfurt, Christina aus Zürich. Wir diskutierten über die Zukunft … Dann kam die große Überraschung. Beide eröffneten uns, dass sie nach Ludwigsburg zurückkommen und in das Hunke-Unternehmen einsteigen wollten. Die Entscheidung unserer Kinder war für Heidi und mich eine große Freude und das schönste Geschenk, das sie uns machen konnten.

          2007 feierten wir das 100-jährige Firmenjubiläum. Das war für uns ein besonderes Ereignis. Nicht nur, weil nun die vierte Generation in unserem Unternehmen tätig war, sondern auch, weil inzwischen die Ehepartner unserer Kinder in unser Unternehmen integriert waren.

          2012 übergab ich unseren Kindern die Firma Hunke. Jetzt sind sie Eigentümer und tragen die Verantwortung für die Geschicke unseres Unternehmens. Hintergrund dieser Entscheidung war unsere Überzeugung: Wenn die Kinder und ihre Partner sich im Unternehmen engagieren, sollen sie auch gestalten, entscheiden und verantworten – und nicht zuletzt – auch die Früchte ihrer Arbeit ernten können.


Unsere Diamanten

          Inzwischen sind wir Großeltern geworden und freuen uns, unsere Enkel aufwachsen zu sehen. Die Zwillingssöhne, Julian und Fabian, von Thomas und seiner Frau Isabel sind jetzt schon 18 und Daniel, der Jüngste im Bunde, ist 15 Jahre alt. Leila, die Tochter von Christina und Frank, feierte auch schon ihren zehnten Geburtstag. Es sind unsere „vier Diamanten“, die wir von Herzen lieben. In unserem Esszimmer steht ein großer mit Tisch elf Stühlen. Einmal in der Woche, freitags, treffen sich hier die drei Hunke-Generationen zum gemeinsamen Mittagessen. Und auch hier gilt unser Grundsatz: Vor den Kindern reden wir nur über die schönen Seiten des Geschäfts. Vielleicht springt auch bei ihnen der Funke über …

 

Und wieder ein glücklicher Zufall

          Durch Zufall und Glück hatte ich die Möglichkeit, die Gebäude an der Ecke Kirchstraße/Asperger Straße zu erwerben. Die Planung übernahmen dieses Mal unsere Kinder. 2015 begann der Umbau mit dem „Baggerbiss“. Besonders beeindruckte mich der Abriss des Eckhauses Kirchstraße 13 – es war der Beginn einer neuen Ära unseres Familienunternehmens.

          Im Mai 2017, 110 Jahre nach der Gründung des Unternehmens, erreichte ich mein großes Ziel und ein lange gehegter Traum ging in Erfüllung. Uhren, Schmuck und Trauringe sind in einem Raum vereint, der Bereich Optik ist separat und doch verbunden mit den anderen Abteilungen. Ich bin froh und dankbar, dass ich die Eröffnung unseres neu gestalteten Hunke-Hauses mit meiner Familie und meinen Enkelkindern erleben durfte.

          Und wer weiß, vielleicht finden auch unsere Enkel den Weg in unser Familienunternehmen. Denn 2017 überraschten mich meine Enkel Julian und Fabian. Julian sagte eines Tages: „Opa, ich will Optiker werden.“ Und Fabian hatte bereits eine Entscheidung getroffen: „Ich habe schon einen Ausbildungsplatz in einer Werbeagentur.“ Vor lauter Glück hatte ich Herzklopfen. Unser Familienunternehmen wird erhalten bleiben!

           2017 war ein gutes Jahr. Wir feierten mit der Eröffnung unseres Geschäftshauses in der Fußgängerzone „110 Jahre Hunke“.  

 

Resümee

          Ich habe eine erfolgreiche und glückliche Zeit hinter mir. Ich bin zufrieden mit den geschäftlichen Erfolgen, glücklich mit den Kindern, die das Geschäft weiterführen und mit den Enkeln, die sich für das Unternehmen interessieren. Die Vertreibung aus dem Sudetenland habe ich vergessen. Ich wuchs in eine neue und bessere Welt hinein. Ludwigsburg ist meine Heimat geworden. Sie ist meine Lieblingsstadt, in der ich einiges bewegen konnte und in der ich mich glücklich fühle. Hier bin ich zuhause.

 

Nach Manuskripten von Rudolf Hunke, bearbeitet von Regina Boger 2017/18