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Buenos Aires

 „Fröhliche Ostern, Ellen“, sagte sie, nachdem sie ihre Einkäufe bezahlt hatte. „Buenos Aires“, antwortete Ellen. Einen Augenblick sah sie die Besitzerin des Naturkostladens fragend an. „Das hat mir kürzlich ein Kunde gewünscht, als ich ihm frohe Ostereier wünschte“, fügte sie erklärend hinzu. Ihr Sohn und sie sahen sich an und lachten los. „Was heißt ‚Aires’ eigentlich?“, wollte ihr Sohn wissen, als sie den Laden verließen. „‚Luft‘, ‚Buenos Aires‘ heißt also ‚Gute Luft’“, erläuterte sie. Schließlich war sie Lehrerin. „Dann stimmt ‚Buenos Aires’ ja irgendwie doch“, meinte ihr Sohn, „wenn man an Ostern zuviel Eier isst, machen die sich als Winde bemerkbar, wenn auch nicht als gute Luft.“ Sie überquerten die Straße. „Klasse“, sagte sie lachend, „dass jemand auf so eine Idee kommt“. – „Ja“, sagte ihr Sohn und brach wieder in Lachen aus, „der Witz funktioniert nur im Zusammenhang mit Ostern, wenn man an Ostereier denkt und deswegen Eier mit ‚Aires’ in Verbindung bringt.“ – „Und nicht weiß, was ‚Aires’ wirklich bedeutet“, ergänzte die Mutter. – „Du hast es ja gewusst und musstest trotzdem lachen“, widersprach ihr Sohn. – „Nun ja, ich dachte jedenfalls als Erstes an Eier, wie die meisten Menschen.“
          Sie lachten noch, als sie die Postfiliale betraten, um Geld von ihrem Konto abzuheben. „Buenos Aires“, sagte sie lachend zu dem Filialleiter, der sie bediente. Als der sie konsterniert anschaute, erklärte sie: „Das wünschte mir eben Frau Schneider vom Naturkostladen“, „sie meinte damit ‚Frohe Ostereier‘“.

„Geben Sie bitte Ihre Geheimzahl ein“, sagte der Filialleiter mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie gerade einen schmutzigen Witz gemacht. Ein Gefühl der Peinlichkeit überkam sie, woran dachte er wohl bei ‚Aires’ und was dachte er, woran sie wohl dachte? Während sie ihre Geheimzahl eintippte, sprach sie die Ziffern laut vor sich hin.

           „Mutter“, flüsterte ihr Sohn ihr zu, „das ist doch eine Geheimzahl, die darf doch niemand außer dir wissen.“ Der Filialleiter zahlte ihr wortlos das Bargeld aus. „Auf Wiedersehen“, sagte sie betreten und verließ die Filiale. „Jetzt kann der Filialleiter Geld von deinem Konto abheben“, sagte ihr Sohn beunruhigt. Auch ihr war mulmig zumute.
          „Na ja,“ seufzte sie, „immerhin wissen wir, dass er meine Geheimnummer gehört hat und er weiß, dass wir das wissen. Also wäre er dumm, wenn er von diesem Wissen Gebrauch machte. Wir würden als Ersten ihn verdächtigen.“ Ihr Beschwichtigungsversuch zeitigte keine große Wirkung. Ihr Sohn war über den Leichtsinn der Mutter entsetzt und fürchtete die kommende Kontoplünderung und die danach folgende Armut. Um die Stimmung zu heben, fragte sie ihn: „Was sagte Ellen vorhin zu uns, als wir bezahlten?“ Ihr Sohn wusste es auch nicht mehr. Eine Stadt in Südamerika, darin waren sie sich einig. Aber welche?
           „Rio de Janeiro?“, fragte sie.
           Aber was hat Rio de Janeiro mit Ostern zu tun?


 

Regina Boger