Bild: Catherine Draffin 2020

Frühling

 

Sonntag, 27.05. 2018

Zeit: 10.10 Uhr. Ort: Terrasse des Café Stüble Lutz.
Wetter: warm, etwa 25 Grad, leichte Schleierwolken, sonnig.

 

           Die Terrassen aller Cafés sind bestuhlt. Die meisten Gäste sitzen auf der Terrasse des Café Stüble Lutz unter Sonnenschirmen. Die Tische sind überwiegend mit Paaren besetzt, die frühstücken. An der Hauswand des Cafés, unter den Arkaden, sitzen neun Italiener. Sie haben drei runde Tische zusammengeschoben, trinken Kaffee und palavern. Wochentags sitzen sie auf den Stühlen am Brunnen, morgens an der Ostseite, mittags an der Südseite. Eine andere Gruppe hat drei rechteckige Tische zusammengeschoben, frühstückt Brezeln, Brötchen und Eier. Ich finde keinen freien Tisch im Schatten. Schließlich schiebe ich einen der freien Tische, der in der vorderen Reihe in der prallen Sonne steht, etwas zurück, sodass ich einen Stuhl im Schatten platzieren kann. Zwei blonde Frauen um die dreißig, die eine übergewichtig, die andere schlank, am Tisch links neben mir beobachten meine Manöver, werfen sich Blicke zu und ab und zu eine Bemerkung. Dann grinsen sie. Ich bestelle einen Kaffee.

          Auf meinem Tisch gibt es keine Karte. Als die Bedienung den Kaffee bringt, bitte ich sie um die Karte. Die Bedienung greift nach der Karte auf dem Tisch nebenan, wo die Blondinen sitzen. Könnten Sie mir bitte eine Karte geben? äfft mich die Übergewichtige nach. Die andere lächelt spöttisch. Ich schaue sie an. Sie schauen weg. Dann starren beide auf ihre Smartphones, zahlen und gehen. Mit ihnen geht mein Unbehagen.

           Kunden kommen aus der Bäckerei des Cafés. Ein junger Mann in Shorts und Polohemd mit einer Brötchentüte, ihm folgt ein kleines Mädchen auf einem Laufrad. Ein zarter Hauch von frischem Brötchenduft weht herüber. Dann ein Paar, sie trägt ein Kuchentablett auf der flachen Hand, er geht nebenher.

          Ein junges Elternpaar kommt zu dem freien Tisch links neben mir. Der Mann in Jeans, weißem T-Shirt, grauem Kapuzenpulli, mit glattrasiertem Kopf und Sonnenbrille, trägt ein Kleinkind in der Babytrage am Bauch. Die Frau, lange schwarze Haare, Carmenkleid, setzt sich. Der Mann bleibt stehen, das Kind verzieht weinerlich den Mund. Nach einer Weile legt er das Kind in den Kinderwagen. Er nimmt den Griff des Kinderwagens in die Hand, schiebt den Wagen etwas weg, wendet sich wieder der Frau zu. Sie fragt ihn erstaunt: Du gehst? – Ja, bestell‘ mir das große Frühstück. Er verschwindet mit dem Kinderwagen. Die Frau bestellt zwei Frühstücke. Das ist nicht der Normalfall, dass sich der Mann so selbstverständlich um das Kind kümmert, wende ich mich an die Frau. –Ach, das ist heute normal. Das machen doch viele Väter. Meinen Vater habe ich als Kind kaum erlebt, ich habe mich immer an meine Mutter gewendet. Heute ist mein Vater ganz anders. Er wickelt und füttert unser Kind. Fast streiten sich mein Mann und mein Vater um das Kind. Die Bedienung serviert das Frühstück, der Mann kommt mit dem schlafenden Kind im Wagen zurück, rückt einen Stuhl in den Schatten, sagt etwas zu seiner Frau. Die Dame hat dich eben gelobt, sagt sie zu ihm und zeigt mit dem Kopf auf mich. Er sieht mich wortlos an. Dann wendet er sich seinem Frühstück zu.

         Zwei Jungen, ein kleiner und ein größerer, spielen vor dem Brunnen Frisbee. Eine blonde Frau in weißen Shorts läuft mit zwei kleinen weißen Hunden an den Leinen zum Brunnen und wieder zurück. Vier der fünf jungen Leute rücken sich Stühle vor dem Brunnen zurecht, stecken die Köpfe zusammen und gestikulieren.

          Vater und Kind, das Kind etwa eineinhalb, streben zum Brunnen. Das Kind hält eine Eiswaffel, das geschmolzene Eis läuft ihm an der Hand entlang zum Ellbogen. Am Brunnen angelangt, streckt das Kind seine Arme zum Brunnen hoch. Der Vater hebt das Kind auf den Brunnenrand, es läuft auf dem Rand. Als es sich zum Wasserstrahl beugt und mit der freien Hand ins Wasser patscht, hält der Vater es am Hosenbund fest.

          Von der Unteren Markstraße schlurfen vier junge Frauen mit großen Rucksäcken zum Café Stüble. Sie verschwinden in der Bäckerei.

          Nahezu gleichzeitig tauchen zwei Kinder auf Laufrädern auf. Hinter dem einen Kind rennt atemlos eine Frau in weißen Shorts her, das Gesicht gerötet, die Haare schweißnass. Das andere Kind fährt vor einem Mann her, der gemächlich zum Brunnen strebt. Er bleibt immer wieder stehen und zeigt dem Kind die Richtung, in die es fahren soll. Das Kind fährt los, dann wartet es, bis der Vater es eingeholt hat. Das andere Kind rast zur Unteren Marktstraße, die Mutter hinterher.

          Die Glocken der Stadtkirche beginnen zu läuten, erst eine Glocke, dann zwei, dann erfüllt das Glockengeläut den ganzen Platz. Die Menschen, die sich auf dem Platz tummeln, verlassen ihn, als das Läuten seinen Höhepunkt erreicht. Das Läuten nimmt ab, wird leiser, schließlich verklingt es im Geräusch eines Flugzeugs, das nach Süden fliegt.

          11.05 Uhr. Eine Türe der Katholischen Kirche öffnet sich. Ein Mann tritt ins Freie. Die Türe fällt zu. Nach einigen Minuten öffnet sich die Türe wieder, es erscheinen drei Leute. Die Türe fällt zu. Nichts geschieht. Endlich öffnet sie sich wieder, vier Leute treten aus dem Portal, wenden sich einander zu, bleiben stehen, gehen ein paar Schritte. Die Tür fällt zu. Und wieder öffnet sie sich, Leute treten ins Freie, allein, zu zweit, zu dritt, gehen einige Schritte. Noch einmal und noch einmal und noch einmal.

          11.15 Uhr. Nun strömen viele Besucher aus der Kirche und verteilen sich in alle Richtungen.

          Das Paar neben mir hat sein Frühstück beendet. „Sag mir einen einzigen schwarzen Opernstar“, fordert der Mann die Frau auf. Die Glocken der Katholischen Kirche läuten. Eine Segway-Gruppe versammelt sich vor dem Brunnen. Einer aus der Gruppe gestikuliert, zeigt mit dem rechten Arm mal hierhin mal dorthin. Eine Wolke Zigarettenrauch vom linken Nachbartisch. „Nein, die Schwarzen singen, alle singen“, entgegnet die Frau im Carmenkleid.

          11.20 Uhr. Ein Taxi zur Oberen Marktstraße. Zwei Frauen mit offenen Kinderwagen überqueren den Platz. Nun wieder die Stimme der Frau im Carmenkleid: Früher haben sie gesagt: ‚Guck, hier ist ein Hai‘, wenn sie einen Aramäer gesehen haben. Das war wegen ihrer krummen Nasen.“ Der Mann wendet etwas ein. Nein, entgegnet sie, ich bin weltoffen. Der Mann telefoniert auf Türkisch mit deutschem Akzent, die Frau bittet die Bedienung um die Rechnung. Der Mann beendet das Gespräch und bezahlt. Die Beiden stehen auf. Wir verabschieden uns voneinander.

          Gedämpfte Stimmen der italienischen Rentner von hinten. Drei Paare mit Kinderwagen bewegen sich zur Katholischen Kirche. Als sie dort ankommen, tragen sie die Kinderwagen in die Kirche.

          11.30 Uhr. Die Mutter in den weißen Shorts taucht nun mit rotem Gesicht aus der Oberen Marktstraße auf. Jetzt geht sie voraus und das Kind folgt ihr.

 

 


Mittwoch, 20. Juni 2018

Zeit: 20 Uhr. Ort: Terrasse vor dem Haus der Katholischen Kirche und Wok on Fire.
Wetter: warm, 27 Grad, sonnig.

 

           Halbmond am Südhimmel, ein warmer Abend, wie ich ihn in den 70er Jahren nur im Süden kannte. Auf dem Weg zum Marktplatz schlendere ich am BarON vorbei. Es ist gut besucht, auf der Terrasse ein großer Monitor, nur wenige Menschen davor. Das Spiel Spanien gegen Iran hat noch nicht begonnen. Warum so wenige Zuschauer? Spanien spielt doch, eine der besten Fußballmannschaften der Welt. Der Iran scheint kein spannender Gegner zu sein.

          Alle Stühle rund um den Brunnen sind mit jungen Leuten besetzt, die Paare einander zugewandt, einige Menschen sitzen alleine da und schauen auf ihre Smartphones. Eine Gruppe von Kindern rennt zum Brunnen und wieder zurück.

          Ich schlendere über den Platz und finde einen bequemen Platz auf einem mit Schnur bespannten Stuhl auf der Terrasse des Wok on Fire. Die Tische sind etwa zur Hälfte besetzt, vor allem junge Leute, meist Paare. Drei Männer sitzen alleine an ihren Tischen, essen, trinken, schauen auf ihre Smartphones.

          Ein paar Meter vor der Terrasse spielt ein zierlicher junger Mann mit seinem Akkordeon ein Potpourri von Tangos und Schlagern aus den 60er und 70er Jahren. Duftwolken von gebratenem Gemüse wehen aus der Küche und von den Tischen der essenden Gäste herüber. Ein Schiff wird kommen weckt Erinnerungen an einen Urlaub in Griechenland, an gebratene Fische und Retsina bei Sonnenuntergang am Hafen.

          Freier Blick auf die Stadtkirche. Ein junger Mann dreht auf einem Moped eine Runde über den Marktplatz und hinterlässt eine stinkende Abgaswolke. Der Musiker steht von seinem Segeltuchhocker auf, geht zu den Gästen und hält ihnen einen Becher hin. Ich werfe zwei Euro hinein und erfahre, dass er aus Bulgarien kommt. „Noch einen Tango“, bitte ich ihn. „Tango?“ – „Ja, einen Tango!“ Er dreht sich um, setzt sich auf seinen Hocker und spielt einen Tango. Ach, wie schön, ein Tango an einem lauen Sommerabend. Jetzt fehlt nur noch Jorge, der beste aller Teatro-Tango-Tänzer. Ein junges Paar kommt mit Aranciata-Flaschen aus dem Restaurant und setzt sich an einen Nebentisch. Vor der Stadtkirche sitzt eine Gruppe junger Leute im Kreis. Der Musiker hört auf zu spielen, die Gäste der ersten Reihe klatschen, ein junger Mann wirft ihm eine Münze in den Becher.

          Ein Junge schreit „Tor“ und rennt an der Stadtkirche vorbei zum Brunnen, ein anderer hinterher. Drei Jungs auf Kinderrädern und einer auf einem Roller fegen über den Platz, halten, warten aufeinander, dann verfolgen sie einander erneut. Jetzt taucht ein Junge auf einem viel zu kleinen Fahrrad auf, zwei Tretrollerfahrer verfolgen ihn kreischend. Ein kleines Mädchen, zwischen zwei und drei Jahren, dreht auf einem Laufrad alleine seine Runden auf dem Platz, gesellt sich gelegentlich zu den Jungs, bleibt einen Meter entfernt von ihnen stehen, dann setzt es ihre Runden fort.

           Zwei junge Frauen, die eine mit einem weißen, die andere mit einem schwarzen Hund, stolzieren zur Unteren Marktstraße. Zwei Männer hinter mir unterhalten sich konzentriert über ein technisches Problem, ohne auch nur eine Pause zu machen. Rede, Gegenrede, Rede wie bei einem Ping-Pong-Spiel.

           Aus allen Richtungen überqueren junge Paare mit Kinderwagen den Platz. Sie wirken entspannt und zufrieden. Eine neue Generation scheint heranzuwachsen, die eine mediterrane Lässigkeit an den Tag legt. Die Kindergruppe versammelt sich am Brunnen und schreit durcheinander. Wieder eine Duftwolke von gebratenem Gemüse von hinten. Schade, dass ich schon gegessen habe.

          Das kleine Mädchen rast auf seinem rosa Laufrad zur Unteren Marktstraße, ein Mann und eine Frau schlendern hinter ihm her. Ein Pizzakurier radelt auf einem Lastenrad zum Stadtkirchenplatz, auf dem Gepäckträger einen schwarzen Kasten.

           Vor der Stadtkirche stellen fünf Männer eine Bank und drei Stühle zu einem Kreis zusammen, setzen sich, stecken die Köpfe zusammen. Die Kindergruppe rennt kreischend um sie herum. Vier Männer streben der Unteren Marktstraße zu, sie gehen in einer Linie wie mit dem Lineal gezogen.

           Zigarettenrauch von hinten.

          21 Uhr. Die Glocken der Stadtkirche schlagen die volle Stunde. Dann tönt die Glocke des Südturms, gefolgt von der dunkleren Glocke des Nordturms. Tauben am Boden, Schwalben am Himmel. Die Abendsonne beleuchtet den Turm der Katholischen Kirche. Die Vorderseite der Stadtkirche liegt im Schatten.

          Eine kühle Brise streicht über den Platz.

          Das Paar rechts neben mir trinkt Aranciata mit Trinkhalmen aus der Flasche. Es unterhält sich leise.

          Die fünf Männer vor der Stadtkirche stehen auf. Sie lassen die Stühle und die Bank stehen, wo sie sind.

         Zwei junge Frauen setzen sich an einen Nebentisch links von mir. Die eine setzt sich auf einen Sessel, die andere, in roten Shorts, setzt sich im Schneidersitz ihr gegenüber auf den Boden. Sie meditieren? fragt mich die Frau in Shorts. – Nein, ich schreibe. Aber weshalb sitzen Sie auf dem Boden?Mehr Freiheit, antwortet sie und stützt sich mit beiden Händen auf dem Boden ab, sodass ihr Gesäß sich vom Boden hebt. Die Freundin zückt ihr Smartphone und fotografiert das Kunststück. Nun dreht sich die Frau in Shorts auf die Seite, stützt sich nur mit einer Hand, legt die Beine parallel übereinander, streckt sie und hebt Beine und Po. Dieses Kunststück fotografiert die Freundin nicht. Der Kellner bringt Reis und Gemüse. Die Frau in Shorts setzt sich auf einen Sessel am Tisch und isst mit Stäbchen.

          Am Himmel jetzt der Kondensstreifen eines Flugzeugs, der sich von Norden nach Süden zieht.

          Das Paar rechts neben mir isst schweigend.

         Ich wende mich der Frau in Shorts zu. Sie legt die Stäbchen zur Seite und erzählt mir ihre Geschichte: Als sie sechs Jahre alt war, zogen ihre Großeltern von Brasilien nach Portugal und nahmen die Enkelin mit. Den Grund weiß sie nicht. Dort lebte sie bis 21. Dann lernte sie einen Schwaben kennen, mit dem sie in die USA zog. Nach einigen Jahren wollte er zurück nach Deutschland. Sie ging mit. Diesen Schritt bereut sie nicht, obwohl ihre Ehe scheiterte. Jetzt lebt sie hier und handelt mit Steinen. Steine sind ewig. Sie machen einem bewusst, wie zerbrechlich die Menschen sind. Sie schaut zur Stadtkirche. Schön, sagt sie, aber ich bin nicht katholisch, ich bin Buddhistin. – Die Stadtkirche ist evangelisch, werfe ich ein. – Luther und so, nickt sie kenntnisreich. Ihr Essen wird kalt, werfe ich ein. – Schmeckt nicht so besonders, meint sie und legt die Stäbchen beiseite, die sie die ganze Zeit in Händen gehalten hatte. Manchmal riecht das Essen bedauerlicherweise besser als es schmeckt. Diesen Kommentar kann ich mir nicht verkneifen. Dann fährt sie fort: Deutschland ist ein wunderbares Land, ich habe hier viel gelernt, Ehrlichkeit und Disziplin. Ich bin viel gereist, aber hier fühle ich mich wohl. Ich liebe auch die Sprache. – Das wundert mich. Ausländer stöhnen oft, Deutsch sei schrecklich schwer.Die Leute verstehen die Sprache nicht, das ist eine Philosophie. Ich habe Deutsch nicht in der Schule gelernt, nur durch Sprechen und Lesen.

           Das Paar von nebenan schaut auf seine Smartphones.

          Die Kinder haben sich vor dem Brunnen versammelt, sie reden leise miteinander.

         21.30 Uhr. Die Laternenglocken schlagen die halbe Stunde an. Die Katholische Kirche liegt nun im Schatten, die Sonne steht im Westen, die Stadtkirche im Gegenlicht.

           Eine leichte Brise, kühler als zuvor.

          Nur ab und zu überquert jemand den Platz.

          Die Brasilianerin schaut mit ihrer Freundin auf deren Smartphone. Sie lachen. Nebenbei erfahre ich, dass sie in Remseck wohnt.

          Eine Schwalbe zieht ihre Bahn über den Abendhimmel, die Tauben haben sich auf dem Denkmal Eberhard Ludwigs versammelt.

          Er war so vertieft in sein Thema, dass er uns komplett ignoriert hat, tönt eine Männerstimme von hinten. Eine Rauchwolke begleitet seinen Satz. Habe festgestellt, dass jeder vor seinem Laptop sitzt und arbeitet, wieder dieselbe Männerstimme. Eine andere Männerstimme antwortet leise.

          Das Paar von nebenan steht auf und geht. Drei Männer verlassen ebenfalls die Terrasse. „Hat’s g‘schmeckt?“ fragt einer und legt dem Mittleren die Hand auf die Schulter. Der zuckt mit den Schultern.

           21.45. Das Mädchen mit dem Laufrad und ein Junge auf einem Fahrrad fahren zur Unteren Marktstraße, hinter ihnen ein Mann und eine Frau.

          Die Kinder vor dem Brunnen sind verstummt.

         Vor der Stadtkirche haben sich drei Männer niedergelassen. Ein Vierter setzt sich zu ihnen.

          Es dämmert, die Farben verblassen. Das Blau des Himmels verwandelt sich allmählich in Grau. Links leuchtet jetzt der rote Schriftzug der Zentralapotheke.

          Eine Kinderschar rennt erneut über den Platz.

         Die Brasilianerin setzt sich wieder auf den Boden, tippt in ihr Smartphone, dann fotografiert sie die erleuchtete Stadtkirche gegen den Abendhimmel. Wir verabschieden uns voneinander. Ich schiebe mein Fahrrad in Richtung Stadtkirche.

          Am Himmel leuchtet ein Halbmond.

          Auch die Stadtkirche leuchtet. Woher kommt das Licht? Ich schaue mich um, folge den Lichtstrahlen und entdecke Scheinwerfer auf dem Dach der Zentralapotheke.

          Ein alter Mann mit einer Bierflasche setzt sich auf eine Bank vor der Stadtkirche. Eine alte Frau, in einen Mantel gehüllt, sitzt auf einem Stuhl, neben ihr eine Tasche und eine Plastiktüte. An der Ecke der Kirche vier Männer und eine Frau auf Stühlen, neben sich Rucksäcke und ein Fahrrad. An der südlichen Ecke sitzen drei junge Frauen und ein junger Mann im Kreis, in der Mitte Tüten mit Knabberzeug und Wasserflaschen.

          22 Uhr. Die Glocken der Stadtkirche läuten, zuerst die Laternenglocken, gefolgt von der hellen Glocke des Südturms und der dunkleren des Nordturms.

          Stimmengewirr von den Terrassen der umliegenden Restaurants. Dunkelheit senkt sich über den Platz. Eberhard Ludwig ist nun bar jeder Farbe. Die Kirchen stehen wie zwei erleuchtete Wächter auf dem dunkler werdenden Platz.